wir sind uns fremd geworden

Liebe Mama, lieber Papa,  kennt ihr das Gefühl, zu fallen? Keinen Halt zu finden, schwerelos zu sein, auf eine schreckliche Art und Weise? Kennt ihr das Gefühl, zu verschwinden, ganz langsam, ganz schleichend und doch zu schnell, und gleichzeitig nicht rasant genug? Kennt ihr mich? Glaubt ihr mich zu kennen? Ich bin ganz schrecklich müde. …

Erziehung

"Du bist eigentlich krank!", sagte mein Vater heute morgen zu meinem dreijährigen Neffen, nachdem dieser seinen Fuß aus den Streben des Küchentisches nicht allein befreien konnte. Ich kann nichts gegen die jähe Traurigkeit und die Übelkeit tun, die sich in mir wie Gift ausbreiten. (Es ist unfassbar schwer, das zu schreiben. Das kleine Kind in mir …

Wärme

"Die Entschuldigungen ignoriere ich einfach, denn es ist ok, wenn es dir hilft, dass du schreibst. Ich kann nur nicht ganz so viel antworten, aber du schreibst ja, es ist in Ordnung. Es war vor der Therapie definitiv schlimmer und wäre ja auch bestimmt ohne Therapie nicht auf dem Stand geblieben. Also nicht grübeln. Nimm …

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

"Wann war das mit der Essstörung?", fragt meine neue Hausärztin und ich bin froh, dass sie in dem Moment, in dem meine Gesichtszüge entgleisen, auf den Computerbildschirm schaut. War. Vergangenheit. Als hätte ich die Krankheit überwunden, als wäre sie nicht mehr da, als wäre es wirklich nur eine pubertäre Phase gewesen. Die Essstörung und all ihre Folgen …

von der Angst, mich selbst zu akzeptieren

Ich habe unfassbare Angst davor, mich selbst zu lieben. So schwer die letzten Tage und Wochen auch waren, nichts hat mich so sehr erschüttert, wie die Vorstellung, mich selbst lieben, mich selbst so akzeptieren zu sollen, wie ich bin. [Ich darf nicht. Ich kann nicht. Ich darf nicht. Ich kann nicht. Ich darf nicht. Ich …

Verstanden werden

Ihre ersten Worte sind nicht "Was machen wir heute?" oder "Worüber möchtest du reden?", sondern "Warum geht es dir nicht gut?". Ihre Frage sorgt dafür, dass meine Sicht verschwimmt und ich den Blick von ihrem Gesicht abwende. Es fühlt sich, jetzt im Nachhinein, gut an, dass es ihr aufgefallen ist, dass sie bemerkt hat, dass ich neben mir stehe und es …

Nicht überwunden

"Nach dem letzten Familiengespräch, was absolut schrecklich war, hatten meine Eltern die fabelhafte Idee, meine Therapie abzubrechen, weil ich ja mittlerweile wieder esse und gemästet bin. Es war das erste Mal, dass ich während des Familiengesprächs etwas gesagt habe, dass ich mich eingemischt habe, obwohl meine Eltern so getan haben als wäre ich gar nicht …

Anreiz

"Ich habe mir übrigens eine Sache vorgenommen: Ich nehme erst den Gutschein für den Zoobesuch in Anspruch, wenn ich wieder kurzärmlig durch die Gegend laufen kann. Dann habe ich einen Anreiz, das auch irgendwie durchzuziehen." Nachricht an Frau K, 26.02.2016 Als Erklärung: Im vergangenen Jahr hat mich Frau K. kurz nach meinem Geburtstag in der …

Nicht da

Eine Hälfte E. befindet sich im Skilager im Jahr 2014. Sie fällt immer wieder in den Schnee, nähert sich immer mehr Frau K. an, verliert immer mehr den Kampf gegen die Essstörung und hungert. Sie spürt die Skier unter ihren Füßen, hört die Stimme ihrer Lehrer deutlich in ihrem Kopf. Diese E. kann kein Ski …

Frau K. und ich

Seit sich das diesjährige Skilager der neunten Klassen immer mehr nähert, verspüre ich in mir das Bedürfnis, darüber zu schreiben, wie Frau K. zu der wichtigen Person, die sie heute für mich ist, wurde, wie sich all das aus einer einzigen Woche entwickelt hat. Und gerade weil ich mich derzeit in einer schwierigen Phase befinde, …