verstummt

Ich bin keine Person großer Worte.

Früher war ich es vielleicht einmal. Früher, damals als ich noch normal war, hat es mir kaum Probleme bereitet, Menschen mit einer Vielzahl von aneinandergereihter Silben zu überrollen. Ich habe mich mit Lehrern unterhalten. Ich habe nicht Stunden darüber nachgedacht, was ich gesagt habe.

Erst während meiner Therapie habe ich begriffen, dass ich Stück für Stück für Stück immer mehr verstummte. Dass es mir immer schwerer fiel, über mich zu reden, mich vorzustellen oder meine Meinung zu äußern. Meine Schwestern und Pfleger wiesen mich auf meine Stummheit hin, meine Psychologin kämpfte oftmals darum, mir die Worte aus der Nase zu ziehen. In Gruppengesprächen habe ich mich zurückgezogen, habe die Beobachterrolle eingenommen. Ich habe als letzte gesprochen, nur dann, wenn man mich ausdrücklich darauf hinwies, dass ich ebenfalls etwas sagen sollte.

Jetzt, fast sechs Monate nach der stationären Behandlung, hat sich daran nicht viel geändert. Ich rede wenig. Ich lächele stumm, hoffe, dass es ausreicht. Das Gefühl, nicht genau das sagen zu können, was ich mir vorstelle oder gar solche Dummheiten auszusprechen, dass man mich nicht ernst nimmt, hemmt meine Stimme und das Bedürfnis,  laut zu sprechen und mich mitzuteilen. Ich möchte reden. Ich möchte endlich darüber reden, was mich belastet. Ich möchte es ausdrücken können, mit richtigen Worten, Worten, die meinen Mund verlassen und nicht nur auf diesem Blog stehen.

Manchmal habe ich das Gefühl dass ich den Bezug zu den Worten verliere. Egal, ob im realen Leben oder hier. Ich erkenne mich längst nicht mehr in meinen Beiträgen. Ich erkenne mich nicht mehr.

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