Dinge dürfen

Meine Mutter und mein Vater sind heute Nachmittag nicht zuhause. Durchweg positiv, wenn man ignoriert, dass freie Bahn auch immer bedeutet, dass es leichter ist, dem Selbstverletzungsdrang nachzukommen. Ich habe am Donnerstag von meiner Psychologin die Aufgabe bekommen („Ich erwarte es von dir, E.“) mich bis zum nächsten Gespräch sportlich zu betätigen. Wir sind bei Laufen hängen geblieben, und ich habe fest eingeplant, es zu tun, wenn ich allein bin. Sprich: heute Nachmittag. Nun hat mein Vater, obwohl er gar nicht da ist, meinen Bruder eingeladen, bei uns zu bleiben, denn wir haben einen Garten samt Pool, wogegen die Wohnung von meinem Bruder nichts ist. Mich bringt das so sehr aus dem Konzept, dass ich weinen möchte, würde ich es momentan zulassen. Ich darf nicht laufen gehen, wenn jemand aus meiner Familie es merken könnte, sagt etwas in mir. Ich habe Angst vor den Kommentaren, der Wertung, dabei bin ich eigentlich achtzehn Jahre alt, dürfte nach draußen gehen, wann immer es mir passt. Dennoch – es geht nicht. Ich fühle mich noch dazu überhaupt nicht dazu in der Lage, heute meinen Bruder samt meinem Neffen auszuhalten. Er ist es gewesen, der am Freitag dafür gesorgt hat, dass nichts mehr ging. Jetzt tut er so, als sei nichts geschehen, weil es das ist, was man in dieser Familie macht (weil er nicht merkt, wie weh es getan hat). Es ist bescheuert, total bescheuert, dass mich diese Kleinigkeit aus dem Konzept bringt. Ich möchte nicht, dass sie hier sind. Ich möchte allein sein, mich verkriechen, weinen, fliehen. Ich habe keine Kraft, um Schwester und Tante zu sein. Ich möchte laufen dürfen. 

2 Kommentare zu „Dinge dürfen

  1. Liebe E., manchmal kann einem die Familie die Luft abklemmen. Vielleicht magst Du einfach spazieren gehen. Das würde Deinem Bruder auch zeigen, dass Du gerade nicht mit ihm zusammen sein willst. Zu verständlich. Du könntest Dich in ein Café setzen und etwas trinken. Ich weiß, wie Du Dich fühlst. Fühl‘ Dich umarmt. Es ist traurig, wenn man zuhause ist und sich nicht so fühlt. Du wirst Dir noch ein schönes Zuhause schaffen…

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  2. Hier hätte es nur eine einzige Entscheidung geben dürfen: „LAUFEN GEHEN – LAUFEN GEHEN – LAUFEN GEHEN „!!!!!
    Keine Überlegungen, kein Nachdenken, alle Gefühlsscheisse ignorieren.
    Hose anziehen, Shirt drüber, Laufschuhe zubinden und ab die Post.
    Zum Abschied sagst Du „mir ist nach Bewegung, bis später dann“ und LOS GEHTS!!!!!!
    Du packst das mein Mädchen
    ❤ Babsie

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